Vorwort

Die vorliegende Chronik der Familie Wiehler erscheint aus Anlaß des 3. großen Wiehler-Tages 1995 in Weierhof/Pfalz und ist bereits die zweite ihrer Art.

Zum 1. Wiehler-Tag 1921 in Grunau/Westpreußen hatte Rudolf Wiehler aus Elbing, geb. am 9.9.1826 in Altrosengart (Wiehler III,IVg; neu: 4.2.) eine erste Fassung der Familiengeschichte erarbeitet und diese auf dem Familientag vorgestellt. Auf diesen weitreichenden Vorarbeiten konnten der Geheimrat Franz Christian Wiehler aus Potsdam, geb. am 22.5.1868 in Königsberg (Wiehler II,IVb.) sowie Heinrich Wiehler aus Parwark geb. am 9.3.1868 in Preußisch Rosengart (Wiehler III,VI; neu: 4.2.2.) aufbauen und die erste umfassende Familienchronik herausgeben. Diese wurde 1930 im Deutschen Geschlechterbuch, Band 68, Verlag G. A. Stark, Görlitz, veröffentlicht.

Der 2. Wiehler-Tag hat 1928 in Elbing/Westpreußen stattgefunden.


Chronik

In die nun vorliegende aktualisierte Chronik der inzwischen weltweit verzweigten Familie konnten alle Daten aufgenommen werden, die zum einen von Marie Cornelsen, geb. Wiehler, geb. am 8.6.1895 in Thiensdorf (Wiehler III, IVb. 5; neu: 1.4.5.) in unermüdlichem Eifer bis zu ihrem Tod im Jahr 1985 gesammelt wurden und zum anderen auf schriftlichen Angaben der Teilnehmer an diesem Familientag beruhen.

Geordnet und ausgewertet hat diese Daten Gerhard Wiehler, Weierhof, geb. am 12.3.1943 in Groß Röbern (4.2.11.7.). Er verfaßte das Kapitel C. dieser Chronik: "Stammfolge: Nicolaus Wiehler aus Lichtfelde und seine Nachfahren". Gerhard ist ein Enkel des oben erwähnten Rudolf Wiehler, Elbing und einer der Mitorganisatoren des 3. Wiehler-Tags.

Die übrigen Kapitel, mit Ausnahme des Kapitels D, wurden von Frank Wiehler, Luxemburg, (7.1.1.4.) verfaßt. Er ist ebenfalls Mitorganisator des 3. Wiehler-Tags. Im Unterschied zu sonstigen Chroniken soll das vorliegende Buch nicht nur Auskunft über die "grauen Vorzeiten" unserer eigenen Herkunft geben. Das beiliegende Adressenverzeichnis soll vielmehr auch als Aufforderung verstanden werden, sich gegenseitig zu besuchen und kennenzulernen.

Westpreußen - Flucht und Vertreibung

Bis 1945 war die Umgebung von Elbing, Westpreußen, für einige Jahrhunderte das historische Zentrum der Familie. Seither lebt sie, zerstreut in alle Himmelsrichtungen, in Deutschland, in Polen, in Kanada, in den U.S.A., Lateinamerika, Afrika, im Südpazifik und anderswo.

Für jeden Betroffenen bedeuteten Flucht und Vertreibung aus der Heimat der Abschied von etwas Unwiederbringlichem. Manche sind daran zerbrochen. Andererseits hat die erzwungene Umorientierung der Familie ein Mehr an Weltoffenheit und Internationalität gebracht und häufig auch ein Mehr an Toleranz. Das ist gut und macht stark für künftige Auseinandersetzungen.

Manche Mitglieder des "Clans" sprechen besser Englisch als Deutsch, andere verstehen gar kein Deutsch. Kein Problem! Lernen wir Sprachen!


Wiehler und der mennonitische Glaube

Der Familienname Wiehler ist seit über vierhunderfünfzig Jahren fest mit dem mennonitischen Glauben verbunden. Einige wissen jedoch nicht mehr, worum es dabei geht. Das ist bedauerlich! Erklären läßt sich diese Entwicklung einerseits durch die mit der Vertreibung aus Westpreußen verbundene Auflösung der überkommenen mennonitischen Gemeindestrukturen. Nicht alle Wiehlers fanden in der Nachkriegszeit "ihre" Mennonitengemeinde in Westdeutschland, Kanada oder U.S.A.. Familienmitglieder in der ehemaligen DDR verloren jeglichen Kontakt zur mennonitischen Kirche.

Eine weitere Erklärung für den Bedeutungswandel der Glaubensbindung an die mennonitische Kirche ist in der wachsenden Zahl der interkonfessionellen Ehen zu finden. Bis zum Ende des ersten Weltkriegs heirateten die Wiehlers fast ausschließlich mennonitische Ehepartner. Die vorliegende Chronik zeigt dieses ganz deutlich. Die Wahrung ihrer religiösen Identität war dabei wohl die ausschlaggebende Überlegung. Seit 1918 hat dagegen die Zahl der interkonfessionellen Eheschließungen zugenommen. 

Steht die Großfamilie unter dem Einfluß zentrifugaler Kräfte? Ist der Zusammenhalt angesichts der geografischen Zersplitterung bedroht? Ist die Identität des "Clans" in Frage gestellt?

Niemand kann diese Fragen eindeutig beantworten. Jeder von uns kann jedoch seinen Beitrag dazu leisten, daß in Zukunft jede dieser Fragen mit einem eindeutigen "Nein" beantwortet werden kann. Deshalb lautet die Aufforderung an den Leser dieser Chronik:


Verliere Deine Verwandten nicht aus dem Auge! Sie sind ein Teil Deiner Identität! Du gehörst zu ihnen, sie gehören zu Dir! Besucht Euch, haltet Kontakt, lernt Euch kennen und möglicherweise auch schätzen!


Schlussfolgerung

Die Geschichte der Familie Wiehler gibt aber auch zu einer weiteren Schlußfolgerung Anlaß: Die Suche nach dem "richtigen" Weg in der Nachfolge Christi hat Generationen unserer Vorväter vor harte Entscheidungen gestellt. Als Täufer, als Mennoniten standen sie für Wehrlosigkeit, gegen Kriegsdienst, für die Glaubenstaufe als Erwachsene und gegen Kindertaufe, für die Trennung von Kirche und Staat und gegen Staatskirche und Obrigkeitsstaat.

Sie waren damit über Jahrhunderte Minderheit und Außenseiter, lebten im Untergrund oder am Rande der Gesellschaft. Das Martyrium blieb ihnen nicht erspart. Verfolgung, Folter, Tod, Verbannung und Vertreibung gehören somit zu den Meilensteinen der Familiengeschichte. Diese Meilensteine stehen in der Schweiz, in Preußen, in Rußland.

Erst in der Folge der französischen Revolution vor rund 200 Jahren wurden den Mennoniten, wie übrigens auch den Juden, die vollen Bürgerrechte in Europa zugestanden. Die damit verbundene Einführung der allgemeinen Wehrpflicht führte viele Vorfahren erneut in seelische Bedrängnis und veranlaßte sie zur Auswanderung nach Rußland oder auch zur Anpassung an die "neuen Verhältnisse". Welche Erkenntnisse können aus dieser familienhistorischen Erfahrung gewonnen werden?

Heute, da wir nicht mehr zu den Verfolgten gehören, soll und muß unsere Solidarität und Hilfe jenen zugute kommen, die Opfer von Verfolgung, von Intoleranz, von Rassismus und Ignoranz sind.

"Einer achte den Anderen höher als sich selbst"! Die Befolgung dieses Bibelwortes bedeutet heute aufzustehen und einzutreten gegen Folter, Vertreibung, gegen religiöse Unduldsamkeit. Wer sich hier einsetzt leistet einen aktiven Beitrag zur Wahrung der Identität und Tradition der Familie.


Frank Wiehler, Herausgeber

*19.6.1941 in Elbing, Westpreußen,

Klettendorfer Ast, (7.1.1.4.)

Sohn von Alfred und Hedwig Wiehler geb. Nitsch 

Luxemburg, im Januar 1995


Postscriptum

Zu Dank ist der Herausgeber Dr. Marianne Ullrich, geb. Cornelsen aus Münster verpflichtet. Sie gab zahlreiche Anregungen und hat geduldig Korrektur gelesen. Auch sie gehört zu den Mitorganisatoren des 3. Wiehler-Tags in Weierhof.

Dr. Hans-Joachim Wiehler, Sarasota, Florida hat freundlicherweise die englischsprachige Zusammenfassung überarbeitet und Hannsjakob Wiehler, Elmshorn, zeichnetet die Landkarte mit den Wohnorten der Familie.

Dank gilt ebenso meiner Frau Ulrike Wiehler geb. Wolter für die Vielzahl ihrer Vorschläge und die kritisch, wohlwollende Begleitung bei den Recherchen und der Gestaltung der Chronik.